Die „Generation 50plus“ im Freizeitpark
Ende 60 dürfte er sein, der ältere Herr, der da aus der „Speedsnake“ steigt. Die meisten Mitreisenden haben wohl gerade mal ein Drittel seines Lebensalters erreicht – und sehen auch nicht mitgenommener aus. Das graue Haar ist etwas durcheinander. Und der kleine Junge an seiner Seite fragt ganz aufgeregt: „Opa, fahren wir noch mal?“
Die „Speedsnake“ ist eine Looping-Achterbahn im Fort Fun in Bestwig im Sauerland, ein kleinerer Freizeitpark inmitten der Natur. Ein ideales Ziel für die ganze Familie. „Unser Ziel ist es, Familien ein gemeinsames Erlebnis zu ermöglichen“, so Pressesprecherin Christine Schütte. „Es kommt viel zu selten vor, dass mehrere Generationen etwas gemeinsam erleben können.“
Und so ist die eben erlebte Szene gar keine Seltenheit in diesem und in anderen Freizeitparks in Deutschland. „Natürlich bleiben Familien mit Kindern die wichtigste Zielgruppe. Es zeigt sich aber, dass immer mehr Drei-Generationen-Familien in die Parks kommen“, so Dr. Ulrich Müller-Oltay, Geschäftsführer des VDFU Verband Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen e.V.
So sind die Parks auch einhellig der Meinung, dass es sich bei der „Generation 50plus“ nicht um eine separate Zielgruppe handelt. Vielmehr steht tatsächlich die generationenübergreifende Denkweise im Mittelpunkt. Man hat erkannt, dass die Generation der Großeltern immer agiler wird und einen wichtigen Bestandteil der Familie darstellt. So kommen Oma und Opa gerne mal mit den Enkeln in einen Freizeitpark. Oder es treffen sich gleich alle drei Generationen.
Attraktiv und kaufkräftig
Mit offiziellen Zahlen zur Besucherstruktur oder zur Zahlungsbereitschaft der „Generation 50plus“ halten sich die meisten Parks zurück. Lediglich der Europa Park, Deutschlands größter Freizeitpark, äußert sich sehr offen. Jakob Wahl, Unternehmenssprecher des Europa Park: „Diese Zielgruppe ist sehr wichtig und interessant für uns, schließlich gehört sie zu einer der zahlungskräftigsten.“ Aber auch bei den anderen Parks wird zwischen den Zeilen deutlich, dass man auch auf die statistisch immer wieder ermittelte hohe Kaufkraft der älteren Generation setzt.
Dabei ist es nicht unwichtig, dass die „Generation 50plus“ sich selbst und auch ihrer Familie gerne mal etwas gönnt. Während Eltern vielleicht noch widerstehen können, wenn das Kind zum x-ten Mal nach Zuckerwatte oder dem süßen Park-Maskottchen-Stofftier fragt, öffnen Oma und Opa auch gerne mal ihr Portemonnaie. Auch für den Snack im Park muss es nicht immer das Fast-Food-Restaurant sein. Auch hier wird gerne mal etwas hochwertiger im Erlebnisrestaurant gegessen, bei dem das Essen direkt per Achterbahn auf den Tisch kommt. „Die Best Ager wollen trotz oder gerade wegen ihres Alters nicht auf qualitativ hochwertige Unterhaltungsangebote verzichten und sind im Gegenzug bereit, dafür auch Geld auszugeben“, so Jakob Wahl vom Europa Park.
Höher, schneller, weiter? Warum nicht!
Die Parks stellen sich darauf ein. Natürlich gibt es auch weiterhin die rasanten Fahrgeschäfte nach dem Motto „höher, schneller, weiter“, mit denen die jungen Besucher angezogen werden sollen. Betrachtet man hier beispielhaft die Achterbahnen in den Freizeitparks, scheint dieser Eindruck zu stimmen – allerdings nur auf den ersten Blick. Denn es ist festzustellen, dass es den typischen Achterbahn-Fahrer eigentlich gar nicht gibt. Auch ältere Besucher mögen die neue Weltrekord-Bahn „Taron“ im Phantasialand, den schnellsten und in seiner Bauart längsten Multi-Launch-Coaster der Welt. Es gibt aber auch genauso viele junge Besucher, die die rasante Fahrt lieber von außen beobachten. „Aber das ist keine Frage des Alters, sondern der individuellen Vorlieben eines jeden, ganz gleich welchen Alters“, so Susanne Incze von der Pressestelle des Phantasialands. „Wieder andere kommen zu uns, um die vielen preisgekrönten Shows zu erleben oder die kulinarische Vielfalt in den Restaurants der unterschiedlichen Themenbereiche zu genießen.“
Genau dahin geht ein deutlicher Trend: viele Freizeitparks in Deutschland entwickeln sich zu Ferienresorts, die neben dem eigentlichen Freizeitpark auch Hotels, Restaurants und Wellness-Angebote umfassen. Genau hier sieht Dr. Ulrich Müller-Oltay vom VDFU auch eine wichtige zukünftige Entwicklung: „Die ältere Generation lässt sich gerne mit Hotels und Wellness locken. Kulinarische Spezialitäten stehen häufig im Vordergrund.“
So gibt es beispielsweise im Phantasialand die Möglichkeit, authentisch-afrikanisches Essen zu genießen. Hier kommen sogar Krokodil und Zebra auf den Tisch. Und das in einer stilechten Atmosphäre, die von Jung und Alt genossen wird. Im Europa Park in Rust gibt es ein 2-Sterne-Restaurant, das das ganze Jahr über kulinarische Spezialitäten auf höchstem Niveau anbietet. In einem anderen Restaurant des Resorts stehen mit „Spices – Küchen der Welt“ je nach Jahreszeit regionale Spezialitäten aus aller Herren Länder auf der Speisekarte.
Besucher können sich also auch mit einem Kurzurlaub in der Nähe eine gehörige Portion Exklusivität oder Exotik gönnen. Und dies in der Regel in gut ausgestatteten 4-Sterne-Hotels, die ganz offensichtlich genau den Anforderungen der „Generation 50plus“ gerecht werden: „Besonders bei den Hotel-Übernachtungen haben die Senioren ordentlich zugelegt. 2016 konnten wir ein Plus von über 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in Bezug auf Übernachtungen verzeichnen“, bestätigt Jakob Wahl vom Europa Park.
Bei den neuen Projekten der Parks wird durchaus auch auf gemäßigte Erlebnisse gesetzt. So können im Heide-Park in Soltau Attraktionen wie „Drachenzähmen – Die Insel“ oder „Ghostbusters 5D“ von Groß und Klein gemeinsam erlebt werden. Auch die neue Großattraktion „Voletarium“ im Europa Park setzt nicht auf Geschwindigkeit und Airtime, sondern auf einen Flug in sesselliftartigen Gondeln über Landschaften Europas – also durchaus auch für die (älteren) Nicht-Adrenalin-Junkies geeignet.
Das Fort Fun hat im vergangenen Jahr übrigens zu einem offenen Fotoshoting aufgerufen, um Bildmaterial für Prospekte, Flyer und Plakate zu bekommen. Einige der besten Fotos zeigen ältere Parkbesucher, die sichtlichen Spaß an den Attraktionen haben und die ohne Rücksicht auf andere Generationen ihr Leben genießen.
Und die Zukunft?
Auf die Frage, wie sich die Parks in Hinblick auf den demografischen Wandel noch entwickeln müssen, reagiert man eher gelassen. Für Verbandsgeschäftsführer Dr. Ulrich Müller-Oltay sind die Parks in Deutschland schon recht gut aufgestellt: „Es ist ein kontinuierlicher Anpassungsprozess. Klar ist aber auch, dass Familien mit Kindern die Kernzielgruppe und das Sockelangebot bleiben werden.“ Das sieht auch Jakob Wahl vom Europa Park so: „Wir sind davon überzeugt, dass der Wunsch nach Unterhaltung, Abenteuer und qualitativ hochwertiger Zerstreuung weiterhin ein dominierendes Element in der Freizeitgestaltung aller Generationen bleiben wird.“ Für 2019 plant der Park in Baden-Württemberg zum Beispiel ein komplett neues Wasser-Erlebnis-Resort. Diese größte Investition des Familienunternehmens liegt im dreistelligen Millionenbereich – übrigens ohne staatliche Fördermittel, wie der Park ausdrücklich betont.
Ein Beispiel, das deutlich macht, dass die Branche durchaus positiv in die Zukunft blickt. Auch Christine Schütte vom, im Vergleich zum Europa Park, deutlich kleineren Fort Fun sieht das so: „Mit unserem Angebot sind wir heute schon gut auf den demografischen Wandel eingestellt. Aber natürlich wird sich auch unser Park der Nachfrage entsprechend weiterentwickeln.“
Kommen wir noch mal auf den älteren Achterbahn-Fahrer im Fort Fun zurück: am Nachmittag wurde er in den „L.A.B.S.“ gesichtet. Dieser Indoor-Spielplatz richtet sich eigentlich an die „digitale Generation“ der Kinder und Jugendlichen. Und hier schießt er zusammen mit seinem Enkel mit einem realen Ball auf die digitale Torwand – mit einigen Treffern mehr als der Nachwuchs…
Erstveröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift „Das OPTIMUM“, Ausgabe 02/2017.
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